
Die 39. Ausgabe des Internationalen Filmfestivals Freiburg (FIFF) wirft in der Sektion Neues Territorium einen faszinierenden und feinfühlenden Blick auf das zeitgenössische sri-lankische Filmschaffen. Der südöstlich von Indien gelegene Inselstaat ist nach wie vor von 26 Jahren Bürgerkrieg (1983–2009) gezeichnet. Dennoch entstehen sowohl im Land selber als auch im Exil Filme voller Humor und Hellsicht, von denen das FIFF 9 Lang- und 4 Kurzfilme zeigt. An der Auswahl waren auch Filmschaffende aus Sri Lanka beteiligt, die von Keerthigan Sivakumar, Regisseur und Kurator der Sektion, beigezogen wurden. Diese Filme voller Hoffnung sind vom 21. bis 30. März 2025 in Anwesenheit von Regisseurinnen und Regisseuren aus Sri Lanka zu sehen.
1948 fand die britische Kolonialherrschaft in Sri Lanka ein Ende. Trotz des wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwungs erlebte das Land politische Umwälzungen, ethnische Rivalitäten und bewaffnete Konflikte – u. a. einen Bürgerkrieg, der mehrere Jahrzehnte lang im Land wütete. Obschon die Spannungen zwischen der singhalesischen und der tamilischen Gemeinschaft nach wie vor anhalten, gibt das sri-lankische Filmschaffen Grund zur Hoffnung. Der Regisseur Keerthigan Sivakumar, der 1988 in Jaffna geboren wurde und 2009 als Flüchtling in die Schweiz kam, hat weitere Filmschaffende zu Rate gezogen, um eine repräsentative Auswahl des sri-lankischen – tamilischen und singhalesischen – Filmschaffens der letzten zehn Jahre zusammenzustellen. Der Kurator der Sektion spricht von «Filmen, die den zwiespältigen Einfluss des Westens auf Sri-Lanka, die komplexen Strukturen der religiösen und kulturellen Überzeugungen der verschiedenen Gemeinschaften des Landes, Armut und Diskriminierungen, Solidarität und Liebe beleuchten. Auch wenn ein Grossteil der sri-lankischen Filme von den Wunden und Traumata eines der längsten Bürgerkriege im jüngeren Asien erzählt, zeigen sich einige in einem anderen Gewand als dem des Krieges.»
So war es denn auch die freche und bissige Komödie Tentigo (2023), welche die künstlerische Leitung des FIFF dazu bewog, dem aufstrebenden Filmschaffen Sri Lankas eine ganze Sektion zu widmen. Der Film gewann am Tallinn Black Nights Film Festival 2023 den Spezialpreis der Jury und brachte mit seiner Komik frischen Wind ins sri-lankische Kino. Er hebt sich von den Kriegsgeschichten ab, an die sich das Publikum gewöhnt hat. Als ihr Vater stirbt, entdecken seine beiden peinlich berührten Söhne, dass die Leiche eine unübersehbare Erektion hat, was die Vorbereitung des Körpers für die Totenwache natürlich erschwert.
Little Jaffna, Lawrence Valin (2024)
Neben dieser Komödie über Traditionen zeigt das FIFF in Sri Lanka entstandene Filme, wie beispielsweise den ergreifenden Dark Days of Heaven (2023), oder Filme im oder über das Exil. Darunter findet sich Little Jaffna (2024), ein Thriller à la Scorsese, der gegen Ende des Bürgerkriegs im tamilischen Viertel von Paris spielt, oder der biografische Dokumentarfilm Matangi/Maya/M.I.A. (2018) über die britisch-tamilische Rapperin M.I.A., die über ihr Exil und den Rassismus erzählt, den sie als Flüchtling erlebt hat.
Die vier Filme des Kurzfilmprogramms – darunter Le Gap (2024) des Kurators der Sektion – bieten intime, ungeschönte Porträts der Diaspora, die von einem Gefühl der Faszination und des Unverständnisses durchdrungen sind.
Le Gap, Keerthigan Sivakumar (2024)
Thierry Jobin, künstlerischer Direktor des FIFF, erklärt: «Das sri-lankische Filmschaffen entsteht sowohl im Land selber als auch im Exil. Diese beiden Traditionen messen sich aneinander, ergänzen sich und schreiben schlussendlich an einer gemeinsamen Geschichte. Indem das Festival singhalesische und tamilische Produktionen in ein und derselben Sektion zeigt, möchte es einen Raum der Versöhnung und der Toleranz bieten, denn in Sri Lanka wie auch in der Schweiz leben die beiden Gemeinschaften Seite an Seite.» Das FIFF-Publikum ist eingeladen, ein Land sowohl durch die Geschichten derer zu erkunden, die geblieben sind, als auch derer, die es verlassen haben: vielfältige Stimmen, die sich letztlich überschneiden und ein aufrichtiges, buntes und hoffnungsvolles Porträt eines Landes auf der Suche nach Frieden zeichnen.
Im Rahmen des FIFForum findet eine Begegnung mit der in Freiburg lebenden sri-lankischen Diaspora statt. Im Austausch mit Thierry Jobin zeigten sich verschiedene Mitglieder dieser Gemeinschaft begeistert davon, das sri-lankische Kino (wieder) zu entdecken und es dem Freiburger Publikum vorzustellen: «Die Gemeinschaften suchen stets nach Möglichkeiten, zusammenzukommen, auch in Freiburg. Das FIFF ist ein grossartiger Ort für ein Wiedersehen.» Am Sonntag, 23. März, stehen zwei Diskussionsrunden auf dem Programm: die erste unter dem Titel Faire du cinéma sur le Sri Lanka (auf Französisch), mit Regisseurinnen und Regisseuren aus Sri Lanka; die zweite mit tamilischen und singhalesischen Familien aus Freiburg, in Zusammenarbeit mit dem Departement für Zeitgeschichte der Universität Freiburg.
NEUES TERRITORIUM: SRI LANKA
Langfilme
- Matangi/Maya/M.I.A., Steve Loveridge, 2018
- Soundless Dance, Pradeepan Raveendran, 2019
- Peacock Lament, Sanjeewa Pushpakumara, 2022
- Dark Days of Heaven, Mathi Sutha, 2023
- Paradise, Prasanna Vithanage, 2023
- Sand, Visakesa Chandrasekaram, 2023
- Tentigo, Ilango Ramanathan, 2023
- Little Jaffna, Lawrence Valin, 2024
- Your Touch Makes Others Invisible, Rajee Samarasinghe, 2025
Kurzfilme
- Le Gap, Keerthigan Sivakumar, 2024
- Crisis, Soban Velrajah, 2024
- Island Story, Bavaneedha Loganathan, 2025
- Anushan, Vibirson Gnanatheepan, 2023
FIFForum Tables rondes
- Gesprächsrunde Faire du cinéma sur le Sri Lanka mit Filmschaffenden aus Sri Lanka (auf Französisch)
- Begegnung mit sri-lankischen Familien aus Freiburg (in Zusammenarbeit mit der Universität Freiburg)
Kulturvermittlung
- Vom 10. bis zum 20. März 2025 finden im Fribourg Centre Veranstaltungen rund um die sri-lankische Kultur statt.
Das vollständige Programm des 39. FIFF (21.–30. März) wird am 5. März enthüllt.
Your Touch Makes Others Invisible, Rajee Samarasinghe (2025)